Mittlerweile sind es schon zweieinhalb Monate, in denen ich mich auf Kurzarbeit befinde. Derzeit arbeite ich nur freitags im Hotel und bearbeite den liegengebliebenen Papierkram. Ich habe erst kürzlich erfahren, dass wir wahrscheinlich ab dem 15. Juni langsam aber sicher das Geschäft wieder hochfahren werden. Aber wie genau das alles aussehen soll, wird man mir erst nächste Woche sagen können.

Es gibt so viele Details zu klären. Inwiefern können wir Frühstück für unsere Gäste anbieten, zumal ein Büffet ja derzeit noch nicht installiert werden kann? Wie werde ich das Housekeeping-Personal einsetzen können? Wieviel darf ich dann selbst wieder arbeiten? Und, und, und.

Wie ich ja schon in meinem letzten Beitrag erwähnt hatte, ist Agneska mit einer eigenen Webseite online gegangen. Unter http://www.voiceofguides.com könnt ihr Wissenswertes und Kurioses von Ländern erfahren, die nicht jeder gleich auf dem Schirm hat. Da Agneska als Reiseleiterin gerade Länder wie Indien, Israel, Malaysia, Vietnam oder den Iran bereist hat, kann sie natürlich auf fundierte Art und Weise aus dem Nähkästchen plaudern. Darunter sind dann Geschichten wie die Entstehung des Taj Mahals in Indien, das für uns komisch anmutende Verhalten der ultraorthodoxen Juden am Shabbat, über iranische Wrestler oder über die unterirdische Salzkathedrale in Kolumbien, um nur einige zu nennen.

Da ich ja auch sehr viel Zeit zur Verfügung hatte, entschloss ich mich kurzerhand dazu, all ihre Texte ins Deutsche zu übersetzen, sodass die Webseite nun dreisprachig ist (ungarisch, englisch und deutsch). Ich würde mich darüber freuen, wenn ich euer Interesse geweckt hätte und ihr euch bei Gelegenheit die Webseite http://www.voiceofguides.com/de anschaut, liked und teilt. Je mehr diese Seite an Beachtung gewinnt, desto mehr können wir daraus machen. Ich zähle auf euch.

Durch diese sehr zeitaufwendige Arbeit, habe ich fast einen normalen Arbeitsrhythmus beibehalten. Denn das Korrigieren der englischen Texte und das Übersetzen ins Deutsche braucht natürlich seine Zeit. Gleichzeitig sehen Agneska und ich auch zu, dass wir körperlich ein bisschen fit bleiben. Anfang April hatte ich einen Fußball und eine Pumpe im Internet bestellt und einen Platz in der Rheinaue gefunden, wo wir trotz Kontaktverbot für uns ein bisschen trainieren konnten. Ja, und im Zuge dessen kam es dann auch zu einer ganz besonderen Situation.

Vor rund drei Wochen waren wir beide wieder dort und ich hatte, wie üblich, einen kleinen Slalomparcours aufgebaut und mit Agneska ein paar technische Übungen durchgeführt. Nicht weit entfernt spielte ein Vater mit seiner Tochter und seinem Sohn. Nach einer knappen halben Stunde packten sie ihre Sachen und der Vater kam auf mich zu und fragte mich, ob ich denn Fußballtrainer sei. Ich verneinte und erklärte nur, dass ich halt früher viel Fußball gespielt und vor rund 25 Jahren auch einmal Minikicker trainiert hatte.

Es stellte sich heraus, dass ich mit Marcello, dem Sportlichen Leiter Frauenfußball des Rot-Weiß Merl sprach, und er auf der Suche nach einem A-Juniorinnen-Trainer sei, da der aktuelle krankheitsbedingt aufhören musste. Auch sei es kein Problem, dass ich keinen Trainerschein habe, zumal dieser für die Bezirksliga nicht notwendig sei. Marcello notierte sich meine Telefonnummer und rief mich schon am nächsten Tag wieder an. Nach einem weiteren Gespräch zwei Tage später am Sportplatz vereinbarten wir, dass ich sofort mit der Trainingsarbeit beginnen würde.

So kam es denn auch. Derzeit ist ja wegen Corona die Saison unterbrochen, und so wie es aussieht, wird sie wohl auch nicht fortgesetzt. Somit findet jeweils mittwochs das Training für die A-Juniorinnen statt. Ich war begeistert von der Teilnahme, denn ich habe rund 22 Mädels im Kader, von denen zwischen 15 und 18 immer dabei sind. Den Mädels scheint es auch zu gefallen, da sie mich letzte Woche um eine weitere Trainingseinheit am Samstag baten, was ich natürlich gerne gemacht habe.

Für mich war es am Anfang auch erst wieder komisch, Fußballschuhe anzuziehen und meine Zeit auf einem Sportplatz zu verbringen. Aber viel Zeit zum Gewöhnen blieb eh nicht, zumal ich auch schon an einer ersten Damentrainersitzung teilgenommen habe, um die Kader für die nächste Saison zu besprechen. Wer geht, wer bleibt, wie groß sind die Kader, usw.

Witzigerweise hatte ich schon ein paar Wochen zuvor mit Agneska darüber gesprochen, dass ich gerne eine Trainerlizenz machen und mich vielleicht wieder einem Verein anschließen möchte. Ja, und dann kam alles schneller als erwartet.

Seitdem die Lockerungsmaßnahmen greifen, haben Agneska und ich auch einmal Reißaus von zu Hause genommen, weil uns sonst wirklich die Decke auf den Kopf gefallen wäre. Wir besuchten einmal meine Familie in Iserlohn und einmal Alexandra, eine ungarische Freundin, die in Heidelberg studiert. Ich wollte schon immer einmal nach Heidelberg und fand die Stadt und Umgebung auch sehr schön. Zuletzt waren wir auch einmal getrennt unterwegs. Während ich mit Mario bei Markus eines Samstags zum Fußball schauen und Darts spielen war, traf sich Agneska mit Maya, eine israelische Bekanntschaft, die in Mönchengladbach als Ärztin arbeitet.

Es ist ja alles gut und schön, aber ich sehne mich danach, dass bald wieder der normale Alltag einkehrt. Gerade in der Tourismusbranche, in der wir beide arbeiten, können wir nicht absehen, wann wir wieder in Vollzeit arbeiten können. Bei Agneska als Reiseleiterin wird es wahrscheinlich noch länger dauern als bei mir. Aber auch für mich ist Kurzarbeit, für die ich trotzdem sehr dankbar bin, keine Langzeitlösung, weil ich, wie jeder andere ja auch, meine Rechnungen zu bezahlen habe. Das Einzige, was man tun kann, ist optimistisch zu bleiben und zu hoffen, dass die Geschäftsleute bald wieder in die Städte und die Urlauber wieder in die verschiedensten Länder reisen dürfen.