Ich weiß gar nicht, wie ich heute mit meinem Eintrag anfangen soll. Es gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf. Wie ihr wisst, sind Agneska und ich durch unsere Berufserfahrungen international stark vernetzt und haben Freunde fast überall auf der Welt.
Einer davon heißt Manoj und lebt in Delhi, der Hauptstadt Indiens. Manoj und Agneska kennen sich schon über ein Jahrzehnt und haben eine enge Freundschaft entwickelt. Er war Agneskas Ansprechpartner in Indien, wenn sie mit ihren Gruppen durch das Land Gandhis reiste. Auch wenn nun schon seit einiger Zeit pandemiebedingt die Zusammenarbeit ruht, stehen die beiden im engen Kontakt.
Manoj gibt uns hautnahe Details über das, was wirklich momentan in Indien abläuft. Das Land, das hinlänglich als „Apotheke der Welt“ bekannt ist, ist in eine humanitäre Krise mit historischem Ausmaß geschliddert. Die in den Nachrichten verbreiteten Zahlen von rund 350.000 Infektionen am Tag werden erst richtig verständlich, wenn er uns mitteilt, dass in seinem weiteren Familien- und Freundeskreis in den letzten Tagen schon acht Menschen verstorben sind.
Die Medikamente, Spritzen und Impfdosen sind verdammt knapp, sodass unmöglich allen Kranken geholfen werden kann. Was aber noch bedenklicher ist, dass in dieser Situation sogar unter den Apothekern und Ärzten der Profitgedanke im Vordergrund steht. Manoj erzählte uns, dass Medikamente von einem Tag auf den anderen das Mehrfache kosten. Die Ärzte verlangen ein Bestechungsgeld, bevor sie einem Patienten die notwendige Hilfe gewähren. Mit dem Eid des Hippokrates ist das wirklich nicht zu vereinbaren. Deutschland und andere Länder haben für unbürokratische Hilfe gesorgt, aber ich bezweifle, dass die Bevölkerung wirklich davon profitieren kann. Im Endeffekt werden nur die versorgt, die es sich leisten können.
Im krassen Gegenteil dazu sieht die Situation in Ungarn aus. Agneskas Familie und Freunde sind nahezu schon alle geimpft. Ihre Mutter und alle anderen Verwandten, die im Rentenalter sind, haben schon die zweite Impfung hinter sich. Berichten zufolge werden etliche Impfdosen einfach nur noch gelagert, weil die Menschen, die sich impfen lassen wollten, mittlerweile geimpft worden sind.
Da frage ich mich, wie die EU die Verteilung der Impfdosen organisiert hat. Hat z.B. jedes Mitglied am Anfang 5 Millionen Dosen bekommen, womit ein Land wie Ungarn bei 10 Millionen Einwohnern mit der Geschichte so gut wie durch war, während diese Summe bei unserer Einwohnerzahl nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist? Ich verstehe es nicht.
In Ungarn konnten sich die Impfwilligen schon Monate im Voraus anmelden, sodass nach dem Fall der Priorisierung das Land ungefähr wusste, wie viele Impfdosen gebraucht wurden. Denn eines ist klar: In Ungarn gibt es wie auch bei uns in Deutschland etliche Impfskeptiker, zumal Orban auch das russische und chinesische Vakzin besorgt hatte.
In den letzten Tagen wurde nun hierzulande verkündet, dass die Priorisierung von Altersgruppen im Juni aufgehoben werden soll. Merkel sagte, dass sich dann die impfwilligen Bürger um einen „Impftermin bemühen dürfen“. Warum erst dann?? Warum kann ich mich nicht jetzt schon einmal registrieren, ohne einen festen Termin zu bekommen? Dann hätten wir doch wenigstens einen ungefähren Überblick über die Anzahl der wirklich benötigten Impfdosen. Außerdem wüssten wir durch die Anmeldungen dann auch, ob wir die gewünschte Herdenimmunität erreichen würden.
Und wenn in ein, zwei oder drei Wochen die endgültige Entscheidung über das Startdatum der freien Vergabe der Vakzine gefallen ist, könnten die registrierten Menschen einen Impftermin bekommen. In der Zwischenzeit könnten schon einmal verschiedene Plattformen für die Impfterminvergabe vorbereitet werden, um einem erneuten Zusammenbruch der Systeme vorzubeugen.
Aber so harren wir weiter der Dinge, die nicht oder schleppend kommen. Ich frage mich, warum unsere Regierung nicht über den Tellerrand hinausschaut und sich an den guten Beispielen in anderen Ländern orientiert.
Eine andere Sache, die mir derzeit sauer aufstößt, ist, dass es immer mehr an Anstand mangelt. Es wird immer deutlicher, dass eine freie Meinungsäußerung in einer offenen Diskussionskultur nicht mehr möglich ist. Ich kenne Menschen, die dem Handeln unserer Regierung sehr skeptisch gegenüber stehen. Aber sie sind weit davon entfernt, in irgendeiner Art und Weise rechtsradikal zu sein. Daher behalten sie lieber ihre Meinung für sich, ehe sie in die rechte Schublade geschoben werden.
Bestes Beispiel dafür war die Aktion „allesdichtmachen“ der Schauspieler. Man kann die Videos gut oder schlecht finden. Aber man muss doch einräumen, dass solche Videos zur Meinungsfreiheit gehören. Es wurde niemand diffamiert oder beleidigt. Letztlich wurde doch nur auf ironische Art und Weise darauf hingewiesen, dass die Menschen wieder ihr Hirn einschalten sollen, anstatt jede Entscheidung der Regierung willenlos und achselzuckend hinzunehmen. Nichts anderes machen die moderaten Querdenker ja auch.
Es ist einfach nur schade, dass sich bei solchen Bewegungen dann gleich extremistische Gruppen dazu gesellen oder öffentlich applaudieren. Denn dann entwickelt sich eine Dynamik, die gar nicht im Sinne der moderaten Querdenker war. Aber was weiß ich schon…ich mache mir halt meine Gedanken und äußere sie, wenn ich Lust dazu habe. Ich glaube, dass darf ich noch, oder?
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