Eigentlich hatte ich mir die letzten beiden Wochen im Oktober freigehalten, um zusammen mit Oma Klara auf Kris aufzupassen. Denn Agneska hatte eine Gruppenreise in den Iran geplant, die sie aber aufgrund der angespannten Situation im Nahen Osten schon vor ein paar Monaten absagen musste. So organisierte sie einen 7-Tage-Trip nach Turkmenistan. Ein nicht nur für mich recht unbekanntes Land, das Agneska vielleicht im kommenden Jahr in ihr Repertoire als Reiseveranstalterin aufnehmen wird.

Normalerweise sind wir ja immer als „Backpacker“ unterwegs. Dies ist allerdings in Turkmenistan nicht möglich. So wurden wir von einem hiesigen Reisebüro unter die Fittiche genommen. Fahrer Ilja sowie Reiseleiterin Ella zeigten uns ihre sehr vielseitige aber unter genauerer Betrachtung auch sehr merkwürdige Heimat.

Samstag, 19. Oktober 2024: Gegen Mittag fuhren wir mit dem Auto zu unserem vorab gemieteten Stellplatz nach Eschborn. Von dort aus brachte uns ein Shuttle-Bus zum Frankfurter Flughafen. Der Abflug sollte um 17:30 Uhr stattfinden, aber wir saßen fast zwei Stunden im Flugzeug, ehe die Maschine endlich abhob. Mit dieser Verspätung und der Zeitverschiebung von drei Stunden kamen wir erst um 3:00 Uhr in der Nacht in der Hauptstadt Ashgabat an. Ella holte uns ab und schleuste uns an der Visa-Schlange vorbei. Für den noch immer angeblich obligatorischen Corona-Test mussten wir nur bezahlen, aber niemand von uns Dreien bekam ein Stäbchen in die Nase gerammt. Um 5:00 Uhr checkten wir dann im schönen Sport-Hotel ein und hauten uns aufs Ohr.

Sonntag, 20. Oktober 2024: Ella erwartete uns am Mittag in der Lobby des Hotels und führte uns durch die „weiße Stadt“. Auf Anordnung eines ehemaligen Präsidenten ist alles weiß. Die Autos sind ausschließlich weiß und die Gebäude alle mit weißem Marmor verkleidet. Turkmenistan ist seit 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig und ein neutrales Land. Mit seinen Nachbarländern wie Russland, Uzbekistan, Afghanistan oder Iran gibt es also aktuell keine Streitpunkte. In den letzten 25 Jahren wurde enorme Gebäude und Monumente errichtet.

Im neuen Teil Ashgabats sind Ministerien entstanden, die architektonische Meisterwerke sind. So hat zum Beispiel das Außenministerium einen Globus integriert. Das Bildungsministerium sieht aus wie ein Buch. Neben dem Hochzeitspalast steht ein 5-Sterne-Hotel, das dem „Burj Al Arab“ in Dubai nachempfunden und von denselben Architekten errichtet wurde. Wir wurden zu einem Entertainment-Center geführt, das das größte, innenliegende Riesenrad der Welt beherbergt. Natürlich durften wir darin eine Runde drehen.

Was uns aber sofort auffiel: Egal, wo wir uns in diesem neuen Stadtteil befanden, war kaum eine Menschenseele zu sehen. Das Riesenrad wurde nur für uns in Betrieb genommen. Auf den vierspurigen Straßen verirrten sich nur ein paar wenige Autos. Elle erklärte uns, dass es einerseits daran läge, dass es hier fast nur Ministerien und keine Wohngebiete gibt. Andererseits gibt es dieses Entertainment-Center schon seit 2012, sodass die Einheimischen davon nicht mehr so angezogen sind.

Alles ist sehr sauber und gepflegt, und Ashgabat erscheint wirklich in einem hellen Schein. Gegen 17:00 Uhr nahmen wir dann zusammen mit Ella den Nachtzug nach Turkmenbashi. Dabei stießen wir auf Mohamed und vier Kanadier. Mohamed ist Ella’s Kollege und hatte die Kanadier ebenso im Schlepptau wie Ella uns. Wir hatten die Abteile nebeneinander und freundeten uns bei einem Bierchen an.

Kris hatte bislang alle Strapazen bravourös gemeistert und schlief genauso wie ich gegen 21:00 Uhr ein. Nur Agneska fand mal wieder unter den zugegeben beengten Bedingungen kaum Schlaf.

Montag, 21. Oktober 2024: Wir kamen um 8:00 Uhr morgens in Turkmenbashi an, frühstückten in der Nähe vom Bahnhof und fuhren dann gemeinsam mit den anderen zu den atemberaubenden Yangykala-Canyons. Wir schossen dort „waghalsige“ Fotos und Videos. Nach den Canyons machten wir noch einen Abstecher zu einem religiösen Ort, wo fossile Steine nach tausenden von Jahren ans Tageslicht gekommen sind. Die Religiösen interpretierten darin eine Geschichte, in der ein Heiliger die Dorfbewohner vor dem Tod durch Invasoren gerettet hat, indem er sie in Stein verwandelt hat. Die Nacht verbrachten wir dann in Balkanabat. Die Stadt mit dem größten Ölvorkommen in Turkmenistan. Apropos Öl: der Liter Benzin kostet umgerechnet 8 Cent!

Dienstag, 22. Oktober 2024: Zunächst besuchten wir das Dorf Nokhur mit einem mystischen Friedhof. Die Grabsteine werden mit Hörnern verziert, die zum Schutz für die toten Körper dienen sollen. Außerdem sollen sie der Seele helfen, sich vom Körper zum lösen und gen Himmel zu fliegen. Mittagessen in einem Jurte-Restaurant in Geoktepe, danach für mich das Highlight des Tages: Wir waren auf einer Farm eingeladen, wo die berühmten Achal-Tekkiner Pferde gezüchtet werden. Kris und Agneska durften sogar auf einem der Rennpferde für ein paar Minuten unter Begleitung reiten. Mir wurde es auch angeboten, aber ich „Schisser“ schaute mir die majestätischen Tiere lieber aus ein paar Meter Entfernung an.

Zum Ende des Tages sahen wir dann wieder die merkwürdige Seite Turkmenistans. Ella führte uns nach Arkadag, eine Stadt, die komplett neu gebaut wurde und als „Smart City“ vermarktet wird. Sie soll demnächst über 60.000 Einwohner beherbergen. Nur als wir über den zentralen Platz schlenderten, war wirklich wieder kein Mensch zu sehen. Angeblich sollen im Süden der Stadt sich schon Menschen aus der Umgebung angesiedelt haben. Stellt sich mir nur die Frage, warum die Leute zunächst dorthin kommen, während im Zentrum, wo sich normalerweise das Leben abspielen sollte, keiner ist. Die Nacht verbrachten wir dann wieder im Sport-Hotel in Ashgabat.

Mittwoch, 23. Oktober 2024: Die war allerdings wieder sehr kurz, weil wir gegen 4:30 Uhr morgens abgeholt wurden, zumal um 6:40 Uhr unser Flieger in den Norden an die Grenze zu Uzbekistan nach Dasgouz ging. In Kunya-Urgench wurde uns ein Mausoleum und das größte Minarett Zentralasiens gezeigt. Danach ging es über 6 Stunden über die wohl schlechteste Straße Turkmenistans in die Wüste zu den Gaskratern Darwaza, „Das Tor zur Hölle“. Gerade nach der Abenddämmerung war der Krater mit rund 70 Metern Durchmessern und seinen seit über 50 Jahren lodernden Feuern sehr beeindruckend. Mohamed und die Kanadier waren auch wieder da. Ilja, unser Fahrer, vor dem ich mich nach diesem Höllentrip vor Hochachtung nur verneigen konnte, präparierte uns ein tolles Barbecue mit Lamm, Hühnchen und Gemüse. Dann schliefen wir ein paar hundert Luftmeter von dem „Tor zur Hölle“ selig in einer schön beheizten Jurte ein.

Donnerstag, 24. Oktober 2024: Nachdem wir noch zwei weitere und kleinere Gaskrater besucht hatten, ging es in ein Semi-Nomadendorf. Hier ist es Tradition, dass der älteste Sohn mit den Herden über den Sommer loszieht, während der Rest der Familie zu Hause bleibt. Dann fuhren wir wieder nach Ashgabat und ins Reisebüro, wo wir dann unsere Reise bar bezahlten und Agneska mit den Chefs über eine eventuell zukünftige Zusammenarbeit plauderte.

Am Nachmittag ging es noch zur Nisa-Festung, die früher einmal die Hauptstadt der Parther war. Dann weiter zur Turkmenbashi-Moschee (benannt nach dem 1. Präsidenten und größte Moschee Turkmenistans). Gleich nebenan das Mausoleum von Turkmenbashi, der 2006 verstorben ist. Zum Schluss ging es noch auf den russischen Markt und zum Lenin-Denkmal.

Freitag, 25. Oktober 2024: Da Kris sich einen heftigen Schnupfen eingefangen und ich seit der Nacht mehr Zeit auf der Toilette als anderswo verbracht hatte, schickten wir an unserem letzten Tag Agneska alleine mit Ella auf die anstehende Museumstour. Erst am späten Nachmittag stießen wir wieder hinzu, als wir in einem „Sky-Restaurant“ bei herrlicher Aussicht auf die Stadt Ashgabat zusammen mit Ella unser Abschiedsessen genossen.

Samstag, 26. Oktober 2024: Diesmal lief alles glatt. Wir landeten um 15:00 Uhr in Frankfurt, wurden zügig abgeholt und zu unserem Auto gebracht. So waren wir dann auch gegen 18:00 Uhr zu Hause.

Fazit: Ich habe Turkmenistan mit dem Gefühl verlassen, dass ich das Land nicht verstanden habe. Auf der einen Seite hast Du gerade mit Ashgabat und Arkadag zwei hochmoderne Städte, die auch locker in die Arabischen Emirate oder nach Singapur passen würden. Sobald es aber aufs Land geht, bist Du in einer anderen Welt. Die Straße von Norden nach Süden hat derart viele und tiefe Schlaglöcher, dass sie wohl in jedem anderen westeuropäischen Stadt schon seit Jahren gesperrt wäre.

Die touristischen Attraktionen, von denen ich hier berichtet habe, liegen innerhalb Turkmenistans sehr weit auseinander. 80% des Landes besteht aus Wüste. Dennoch wäre das Potenzial da, den touristischen Markt viel weiter auszubauen. Ella erzählte uns, dass jährlich ungefähr 14.000 Touristen kommen. Das ist nichts. Zum Vergleich: In Deutschland kommen jährlich mehr als 400 Mio.

Für wen aber bauen Sie dann die ganzen Städte, Attraktionen, Monumente? Ashgabat wäre eine Städtereise übers Wochenende wert. Aber allein die Visa-Bestimmungen schrecken potenzielle Touristen ab. Ohne Einladungsbrief kommst du nicht ins Land. Social Media wie Facebook funktioniert nicht. Bei WhatsApp konnte ich nur Nachrichten lesen und schreien. Ich konnte weder Sprachnachrichten abhören noch Bilder herunterladen oder versenden.

Natürlich habe ich mich informiert und gelesen, dass Turkmenistan diktatorisch geführt wird und mehr oder weniger ein Kontrollstaat ist wie zu Zeiten des Eisernen Vorhangs. Der jetzige Präsident ist der Sohn seines Vorgängers. Somit sind trotz seines jungen Alters keine Reformen zu erwarten. Es ist einfach schade, weil das Land wirklich viel Potenzial für einen touristischen Ausbau hat.